Albanien: Von Berat nach Vlora
KAPITEL:
Während des leckeren Frühstücks
in unserer Unterkunft erzählen wir ein wenig mit dem Besitzer. Er spricht
"Deutsch", jedoch ergeben 2/3 seiner Sätze für mich keinen
erkennbaren Sinn. Dennoch ist er so herzlich und hilfsbereit, dass man ihn einfach
gerne haben muss! Und besser als mein Albanisch ist sein Deutsch allemal! Zudem
spricht er noch Englisch, Italienisch und Französisch...über die Qualität der
anderen Sprachen kann ich aber nichts sagen. 😆
Wir wählen heute nicht den
direkten Weg nach Vlora, sondern fahren zunächst zum Nationalpark
Divjaka-Karavasta. Hierbei handelt es sich um eine Lagunenlandschaft mit
Pinienhainen, Auenwäldern und Sanddünen. Am Strand angekommen wollen wir
zunächst zu Fuß durch das flache Wasser auf eine Nehrung laufen. Etliche, circa
handgroße Krabben im Wasser wissen dies aber zu verhindern und empfehlen uns
freundlich, lieber den langen Holzsteg zu benutzen, was wir dann auch machen.
Auf der Nehrung angekommen, gibt
es eine große Strandbar sowie viele Sonnenschirme und -liegen. Nach
Naturschutzgebiet sieht es für mich hier eher nicht aus! Die nächste
Überraschung ist akustischer Natur: Aus den Boxen höre ich doch deutsche
Musik...? Tatsächlich, der "King of Albania" Mozzik zusammen mit
Loredana! Sehr skurril irgendwie, aber ihr "Bonnie & Clyde" wird
in den kommenden Tagen ein wenig zum Song der Reise! 😎
Demnächst soll im
Naturschutzgebiet angeblich noch ein Ferienkomplex für mehrere tausende Gäste
entstehen. Was in Deutschland undenkbar wäre, lässt sich hier durch Kontakte,
Geld oder wie auch immer offenbar regeln. HIER
findet man ein paar spärliche Infos dazu.
Wir besichtigen noch einen 30
Meter hohen Aussichtsturm, der uns die schöne Lagunenlandschaft von oben zeigt.
Hoffentlich bleibt ein Großteil der Flora und Fauna noch eine ganze Weile
bestehen!
Pelikan
Aussichtsturm
Blick über den Nationalpark
Divjaka-Karavasta
In der Region fällt auf, dass
offenbar jeder von Wassermelonen lebt. Man kann keine zehn Meter fahren, ohne
dass ein Straßenstand oder ein Lastwagen mit den Früchten zu sehen ist. Wir
sind uns ziemlich sicher, dass hier im Falle eines Brandes einfach
Wassermelonen aufs Feuer geworfen werden, da es von ihnen mehr gäbe und sie
günstiger seien als das Feuer mit Wasser zu löschen. 😂 Aber sie schmecken auch
verdammt gut!
Als nächstes steht ein kurzer
Abstecher zum Kloster Ardenica an, da es sowieso mehr oder weniger auf dem Weg
liegt. Dies soll eines der ganz, ganz wenigen eher negativen Erlebnisse
werden...
Nachdem wir den Van am Parkplatz
abstellen, werden wir direkt sehr unangenehm von 2-3 Bettlern angesprochen. Ich
weiß, dass es in Albanien kein Sozialsystem wie in Deutschland gibt und einige
Menschen daher auf das Betteln angewiesen sind. Aber die Art ist so penetrant
und aggressiv, dass keiner von uns Lust hat, etwas zu geben. Der
"Stumme" kann auf einmal, nachdem wir 30m weitergegangen sind, wieder
reden - ein Wunder, preiset den Herrn! Ein anderer beschimpft uns bereits in
mehreren Sprachen. Wir laufen schließlich zur Pforte des Klosters und diese
ist...verschlossen. Laut "Öffnungszeiten" hätten wir das Kloster
jetzt besichtigen können. Wir klopfen mehrfach. Ein Straßenverkäufer rät uns,
weiter zu warten und zu klopfen, aber nachdem ein Bettler ohne Beine dann mit
seinen Händen eine Schrotflinte imitiert und uns damit "erschießt",
beschließen wir, dass wir genug andere spannende Punkte auf unserem Plan haben.
Nicht, dass es irgendwie bedrohlich gewesen wäre, aber jeder von uns empfindet
die Situation als unangenehm. Vielleicht soll man sich ja à la "Gang nach
Canossa" durch das Warten als würdig erweisen, aber dafür reicht unser
Glaube wohl leider nicht aus. Also kein Kloster Ardenica für uns!
Kurz ist die Stimmung im Bus
etwas gedrückt...einerseits tun einem die Bettler leid, andererseits möchte ich
niemandem helfen, der so mit uns umgeht. Da wir keine spontane Lösung für
dieses Problem haben, tun wir das naheliegendste und trinken jeder (bis auf den
Fahrer) ein Bier. Ja, das liest sich jetzt schlimm und ignorant, aber wir
möchten unsere Tage schließlich genießen.
Etwas später ist die Stimmung
tatsächlich besser und wir fahren den kurzen Weg nach Apollonia. Hierbei
handelt es sich um römisch-griechische Ruinen sowie ein mittelalterliches
Kloster inkl. Museum. Auch mit dieser Stätte könnte man wieder mehrere Seiten
füllen, aber jede(r) Interessierte weiß ja, wo ausführliche Infos zu finden
wären. Wenn ich mich recht erinnere, hat sogar Julius Caesars Enkel hier
studiert.
Auf dem Gelände von Apollonia befinden
sich zusätzlich mehrere Bunkeranlagen. In den engen Gängen dieser Bunker nisten
offenbar unzählige Fledermäuse. Als wir uns in der Nähe einer der Eingänge
befinden, kommen direkt ohne Vorwarnung etliche Exemplare hinausgeflogen. Haha,
was ein unerwarteter Schock! Unten sieht man ein Exemplar...leider recht
unscharf, es stammt aus einem Video. Aus Rücksichtnahme auf die Tiere haben wir
sie nicht weiter belästigt.
Auf den Straßen Albaniens bekommt
man es ebenfalls immer mal wieder mit der lokalen Fauna in Form von Schafs- und
Ziegenherden oder vereinzelten Kühen und Eseln zu tun. Auf dem zweiten Bild ab
hier versucht der Schäfer gerade, seine Herde über eine vielbefahrene
Schnellstraße zu lotsen.
Apropos Straßen: Diese sind
außerorts insgesamt in einem besseren Zustand als ich es erwartet hatte. Gerade
die Hauptverbindungsstraßen zwischen den größeren Orten sind meist ziemlich gut
befahrbar. Zwar nicht so, dass man mit 180 km/h rasen könnte (oder dürfte),
aber allzu viele Schlaglöcher gibt es auch nicht. Ausnahmen kommen jedoch
definitiv vor, so ist z.B. die Hauptverbindung(!) zwischen Gjirokastra und
Korça gefühlt ein besserer Waldweg...trotzdem wunderschön, wenn man nicht
selbst fahren muss, haha!
Verkehrsregeln sind in Albanien
maximal Richtlinien, Straßenschilder eher gut gemeinte Empfehlungen und es
kommt auch schon einmal vor, dass man auf einer Autobahnauffahrt quer über den
von links kommenden Verkehr hinüberfahren muss, um sich auf die Gegenspur
einzuordnen! 😳 Ach ja, einen Führerschein hat laut Aussage einer Albanerin bei
weitem nicht jeder, der sich hinter dem Lenkrad befindet. In der Regel lässt
sich dieses Problem bei einer Verkehrskontrolle aber mit 2-3 Anrufen aus der
Welt schaffen. Dass es nicht mehr Unfälle gibt, muss an der guten Intuition der
Albaner liegen, die hier beim Fahren ganz offensichtlich wichtiger ist, als
stur irgendwelchen Regeln zu folgen. Mit den Tagen passen wir unsere Fahrweise
immer weiter der einheimischen an...
Eine weitere Sache kann man nicht
übersehen, wenn man durch die albanische Landschaft fährt. Zwar findet man in
vielen Ländern deutlich mehr Bauruinen oder unfertige Gebäude als in
Deutschland, jedoch habe ich es in dem Ausmaß, wie es in Albanien der Fall ist,
noch nirgendwo erlebt. Es gibt Streckenabschnitte, auf denen fast jedes zweite
Gebäude unvollendet ist. Teilweise sind die halbfertigen Häuser bewohnt,
teilweise stehen sie leer...doch gebaut wird fast nirgendwo mehr.
Zunächst dachten wir, es gäbe irgendein
Gesetz, laut dem man mit einem unfertigen Gebäude keine Grundsteuer zahlen
muss. Dies ist jedoch wohl nicht der Fall. Die Erklärung, dass alle einfach
angefangen haben und dann das Geld ausging, konnte das Ausmaß ebenfalls nicht
zufriedenstellend erklären. Schließlich haben wir die Ursache doch noch
gefunden:
Nach dem Ende des Kommunismus im Jahr 1991 gab es in vielen Bereichen kaum staatliche Regulierung, was gerade bei neu aufkommenden Themen wie "Privatbesitz" für chaotische Zustände sorgte. Es kam zu "Pyramid Schemes"/Schneeballsystemen im Immobilienbereich, bei denen der Bevölkerung enorme Renditen versprochen wurden. Viele Menschen verkauften Haus und Hof, um zu investieren und die einmalige Chance auf plötzlichen Reichtum nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Auf dem Höhepunkt, ca. 1996/97, betrug der Nominalwert der Verbindlichkeiten in diesem Sektor rund 50% des gesamten Bruttoinlandprodukts! Es kam, wie es kommen musste...die Seifenblase platzte, viele Menschen verloren ihr gesamtes Vermögen und es kam zu größeren Unruhen, bei denen knapp 2.000 Menschen starben.
Nach dem Ende des Kommunismus im Jahr 1991 gab es in vielen Bereichen kaum staatliche Regulierung, was gerade bei neu aufkommenden Themen wie "Privatbesitz" für chaotische Zustände sorgte. Es kam zu "Pyramid Schemes"/Schneeballsystemen im Immobilienbereich, bei denen der Bevölkerung enorme Renditen versprochen wurden. Viele Menschen verkauften Haus und Hof, um zu investieren und die einmalige Chance auf plötzlichen Reichtum nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Auf dem Höhepunkt, ca. 1996/97, betrug der Nominalwert der Verbindlichkeiten in diesem Sektor rund 50% des gesamten Bruttoinlandprodukts! Es kam, wie es kommen musste...die Seifenblase platzte, viele Menschen verloren ihr gesamtes Vermögen und es kam zu größeren Unruhen, bei denen knapp 2.000 Menschen starben.
HIER findet sich ein
interessanter Bericht über das Thema.
Von einer Albanerin haben wir
noch erfahren, dass bei einem Haus oft die Großeltern ganz oben wohnen,
darunter die Kinder und ganz unten im Erdgeschoss findet man den Laden/Shop. Bitte
nicht falsch verstehen, die Landschaft Albaniens ist dennoch ein Traum!
Kurz vor Vlora möchten wir heute
noch die Klosterinsel Zvernec besuchen - als Ausgleich für das verpasste
Kloster Ardenica! 😉 An der Klosterinsel angekommen, bietet sich uns ein
fantastischer Ausblick! Ein langer, geschwungener Steg führt über das flache
Wasser.
Steg zur Klosterinsel Zvernec
Steg zur Klosterinsel Zvernec
Kloster Zvernec
Diese malerische Aussicht ist
offensichtlich nicht nur uns aufgefallen, denn es werden hier gerade Hochzeitsbilder
von einem frisch vermählten Paar geschossen. Mit einem der anwesenden Gäste
(Leonard) kommen wir ins Gespräch und er erzählt uns, dass so eine Hochzeit
eine ganze Woche dauern kann! Jedenfalls werden wir von allen nett begrüßt und
stören die Gesellschaft dann auch nicht weiter.
Wir drehen noch eine Runde über
die Insel zu einer weiteren Kapelle im Nordwesten, bevor es endgültig nach
Vlora geht.
Von der Innenstadt Vloras
bekommen wir kaum etwas zu sehen, da unser Hotel an der Promenade liegt und es
so scheint, als würde sich auch ein guter Teil des Nachtlebens hier abspielen.
In Vlora, Saranda oder Pogradec
habe ich bei den Promenaden (oder in Elbasan auf dem Boulevard Qemal Stafa) den
Eindruck, dass es hier primär um Sehen und Gesehen werden geht! Gerade die
Frauen brezeln sich teilweise extrem auf. Die meisten der anwesenden Personen
dürften aus Familien stammen, deren Einkommen deutlich über dem rund 300€ hohen
Durchschnitts-Monatslohn liegt. Es erstaunt, wie offen und tolerant ein doch
mehrheitlich muslimisches Land mit der Freizügigkeit bei der Klamottenwahl
umgeht. Auch unsere Gruppe zeigt sich hier eher von der toleranten Seite. 😇 Mir
fällt jedoch auf, dass es kaum jemanden gibt, der von der "Norm"
abweicht. So sehe ich zum Beispiel fast nie Männer mit längeren Haaren oder
Frauen mit kurzen Haaren. Ob hier die Grenze der Toleranz erreicht wäre oder
tatsächlich jeder so herumlaufen möchte, kann ich natürlich nicht beurteilen.
Daher soll es einfach als wertfreie Beobachtung verstanden werden.
Aber um nochmals auf das Thema
der Religion und der Toleranz zurückzukommen... Tatsächlich findet man hier
immer wieder Kirchen und Moscheen direkt gegenüberstehen. Niemand scheint ein
Problem mit dem Glauben des Anderen zu haben. Wenn es doch nur überall so
friedlich vonstattengehen könnte! Vielleicht zeigt in diesem Fall noch der
vorangegangene Kommunismus, bei dem die Religion ja eine untergeordnete Rolle
spielte, seine Auswirkungen. Viele Menschen nehmen es nicht ganz so genau mit
den religiösen Vorschriften, sodass u.a. auch mal das ein oder andere Glas
Alkohol getrunken wird. Insgesamt wirkt der Umgang bei diesem Thema jedenfalls
sehr entspannt!
Nach einem ausgiebigen Abendessen
schlendern wir noch über die Promenade und beobachten schließlich biertrinkend
und direkt am Wasser sitzend das Treiben. Bis zuletzt sind wir uns nicht ganz
sicher, ob man nur in Restaurants/Bars oder auch sonst in der Öffentlichkeit
Alkohol trinken darf. Es scheint aber kein Problem zu sein, allzu schräg werden
wir jedenfalls nicht angesehen.
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